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"Lolo - Drei ist einer zu viel": Interview mit Julie Delpy

Regisseurin, Autorin, Schauspielerin: Multitalent Julie Delpy

31.05.2017 |

Eines stellt Julie Delpy gleich klar, als wir sie in Berlin treffen: Auch wenn in ihrer neuen Komödie "Lolo – Drei ist einer zu viel" ein psychopathischer Sohn die junge Beziehung zwischen ihr und Dany Boon zerstören will - die Story ist natürlich nicht von ihrem eigenen Kind inspiriert. Nachdem das geklärt ist, erzählt die in Los Angeles lebende Französin gut gelaunt und offen über sich – von ihrem Kulturschock in einer Silvesternacht in Paris bis zu ihrer Phobie vor gemischten Saunen.

Frau Delpy, was war die Inspirationsquelle für den psychopathischen Sohn in Ihrem Film "Lolo"?
Julie Delpy: In den 50ern gab es einen Film namens "Böse Saat" über ein fieses kleines Mädchen. Deren Eltern fragen sich, ob sie so geboren oder so erzogen wurde. "Lolo" handelt übrigens nicht von meinem Sohn, der ein ganz reizender Siebenjähriger ist. Es geht um die Frage, was man als Mutter machen würde, wenn der eigene Sohn ein Psychopath wäre. Und woran das liegen könnte. Das wollte ich als Komödie erzählen. Denn manipulative und sadistische Menschen können ganz lustig sein, wenn man nicht im wahren Leben mit ihnen zu tun hat (lacht).

Komödien sind schwieriger zu inszenieren, aber die Preise gewinnen meistens ernstere Stoffe. "Lolo" hätten Sie auch als Drama inszenieren können, oder?
Zumindest als Thriller. Ich habe auch einige Dramenstoffe in der Schublade, aber die will niemand finanzieren (lacht). Es ist schwer die Komödien-Schublade zu verlassen, in die ich gesteckt worden bin. Ich versuche derzeit, ein Drama zu drehen. Aber nicht, weil ich unbedingt Preise gewinnen will. Das hat mich noch nie sonderlich interessiert. Kennen Sie den Spruch von Billy Wilder? "Preise sind wie Hämorrhoiden. Früher oder später bekommt sie jeder Arsch." (lacht). Das finde ich witzig.

Sie inszenierten Dany Boon in "Lolo" als geschäftstüchtigen IT-Mann aus der Provinz, der zu Ihnen nach Paris zieht und sich dort nicht gerade clever anstellt.
Danys Figur ist kein dummes Landei, sondern ein süßer Typ, der das Glas immer halb voll sieht. Er ist naiv und glaubt an das Gute im Menschen. Aber das Umfeld meiner Figur ist oberflächlich und sieht auf ihn herab, weil er Socken zu den Sandalen trägt. Dany war perfekt für die Rolle, weil ich jemanden brauchte, der keinerlei Zynismus ausstrahlt. Er ist übrigens auch im wahren Leben kein Zyniker. Das findet man im französischen Kino eher selten (lacht).

In Ihren Filmen geht es oft um das Gefühl, in eine Stadt einzutauchen. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Jahre später in Städte wie Paris oder Wien zurückkehren, wo Sie beispielsweise die "Before"-Reihe drehten?
Städte wie Paris oder New York kenne ich so gut, dass ich sie nicht mit meinen Filmen identifiziere. Nach Wien bin ich vielleicht fünf Jahre nach "Before Sunrise" zurückgekehrt. Das fühlte sich seltsam an, weil ich viele Orte wiedererkannt habe und damals mit Mitte 20 noch mehr an der Vergangenheit hing. Aber in meinem Alter lebt man besser im Moment und blickt nicht so sehr zurück.

In "Lolo" spielen Sie eine Mittvierzigerin, die mit ihrer Freundin viel über ihr Alter redet. Beschäftigt Sie das Thema?
Ich bin Mitte 40 und es ist einfacher für mich, eine Komödie über ein Thema zu machen, das ich kenne. Eine Komödie über 20-Jährige zu drehen, die sich verlieben, erscheint mir nicht so lustig. Vielleicht, weil ich als 20-Jährige eher unglücklich war. Mit 40 befreit man sich auch von manchen Zwängen. Für meine Figur ist das Alter ein Teil ihres Lebens, mit dem sie sich aber doch wohl fühlt. Man kann seinem Alter ohnehin nicht entkommen. Man muss damit leben, oder sterben (lacht).

Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere zwischen Hollywood und Frankreich Ihre französische Seite abgelegt oder amerikanische Facetten hinzugewonnen?
Ich arbeite inzwischen amerikanischer, weil ich dort lebe. Aber ich habe nichts von meiner französischen Seite verloren. Ich versuche, in meiner Arbeit nicht zu sehr im Stil eines französischen Filmemachers zügellos zu sein. Ich treibe meine Produzenten nicht in den Wahnsinn, indem ich sechs Monate lang jeweils nur einen Take pro Tag drehe. Ich arbeite gerne effektiv und mache den besten Film innerhalb des möglichen Rahmens. Das ist ein wenig amerikanisch – außer man heißt Tarantino und kann acht Monate lang auf 70mm Film drehen (lacht). Aber im Ernst, das freut mich für ihn.

Wie schwer ist es, Regie und Hauptrolle zu übernehmen, wie Sie es in Ihren Filmen meist machen?
Zugleich zu spielen und zu drehen ist eine Herausforderung. Ich bereite mich gut vor, lerne meinen Text zwei Monate vorher, plane alle Szenen minutiös und versuche, Probleme in letzter Minute zu vermeiden. Manchmal frage ich auch meine Schauspielkollegen am Set, ob ich in der Szene als Schauspielerin gut war oder nicht. Sie helfen meistens gerne. Nur mein Vater nicht. Wenn ich mit ihm arbeite, meint er immer, er wolle mich nicht beurteilen. Das ist natürlich nicht so hilfreich (lacht).

Ihre Filme handeln meist auf die eine oder andere Art vom Kulturschock. Ist das für Sie als Französin, die in Los Angeles lebt, Alltag?
Wenn ich nach einem Jahr in den USA nach Paris zurückkehre, erlebe ich schon in der U-Bahn einen Kulturschock. In Los Angeles hast du Zeit und sitzt in deinem Auto. In der Pariser Metro wirst du ständig herumgeschubst. Die Idee für den Film "2 Days in Paris" kam mir nach einer furchtbaren Silvesternacht, die ich mit meiner besten Freundin aus Los Angeles in Paris verbrachte. Wir trafen seltsame Typen und haben bei irgendwem auf dem Fußboden gepennt, bis am nächsten Morgen wieder U-Bahnen fuhren. Wenn ich mit meinem Freund dort gewesen wäre, hätten wir uns vermutlich nach 24 Stunden getrennt. Ich hatte übrigens auch erst gestern einen Kulturschock, als ich in die Hotelsauna gehen wollte. Dort waren zwei nackte Männer. Das wäre in den USA oder Frankreich nicht passiert, weil es dort keine gemischten Saunen gibt. Die Deutschen sind diesbezüglich echt seltsam. Ich bin jedenfalls kreischend davongelaufen, weil ich keine männlichen Geschlechtsorgane sehen wollte (lacht)!

Interview: Frank Geissler