"Bestimmte Dinge sind nicht so, wie sie sich das augemalt hat"

Julia Jentsch ("Sophie Scholl – Die letzten Tage", "Das Verschwinden") gehört zu den renommiertesten deutschen Theater- und Filmschauspielerinnen. Sie wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären, dem Deutschen Filmpreis, als beste europäische Schauspielerin und mit dem Deutschen Fernsehpreis. In "Der Pass" spielt sie die junge Hauptkommissarin Ellie Stocker.

Frau Jentsch, was gab für Sie den Ausschlag, in "Der Pass" mitzuspielen?

Als ich dem Projekt begegnete, gab es nur die Treatments, noch keine Bücher. Aber schon dort waren die Entwicklung und die unterschiedlichen Facetten meiner Figur beschrieben. Das klang spannend, Lust machend zu spielen. Als ich hörte, dass Nicholas Ofczarek den österreichischen Ermittler spielen würde, hat mich das zusätzlich neugierig gemacht. Er ist ein toller Schauspieler, mit dem ich sehr gern arbeiten wollte.

Wie würden Sie die Figur der Ellie Stocker beschreiben?

Ellie Stocker ist am Anfang eine sehr positive, engagierte, ehrgeizige Hauptkommissarin. Freundlich, verbindlich zu ihren Mitarbeitern, für gute Stimmung, gute Atmosphäre sorgend. Die Entwicklung des Falls und bestimmte private Ereignisse bringen sie davon ab und verändern ihr Wesen. Sie muss erkennen, dass bestimmte Dinge doch nicht so sind, wie sie sich das ausgemalt hat.

In der Serie "Das Verschwinden" haben Sie eine Mutter gespielt, die als Privatperson ermittelt. Jetzt spielen Sie eine richtige Kommissarin. Reizte Sie das?

Eine berufliche Ermittlerin in dieser Position, in dieser Verantwortungsposition hatte ich noch nie gespielt. Es war schon ein Anreiz für mich, das mal auszuprobieren und mich dem zu widmen.

Alle drei Hauptcharaktere sind vielschichtige Figuren und machen eine starke Entwicklung durch. Ist das ein besonderes Merkmal der Serie?

Darin besteht auf jeden Fall eine ihrer besonderen Qualitäten. Die Figuren sind nicht eindimensional, haben viele verschiedene Seiten und sind sehr komplex. Das hat mich an dieser Geschichte gereizt und das Drehbuch für mich spannend gemacht.

Es werden nebenbei viele gesellschaftliche Themen gestreift, von Migration bis Kapitalismuskritik. Ist "Der Pass" auch als Gesellschaftsstudie zu verstehen?

Ich würde es so sagen: Die Serie gibt einem die Möglichkeit, viele aktuelle Themen wiederzufinden. Es wird einem aber nicht aufgezwungen. Der Täter übt Gesellschaftskritik, prangert Zustände, menschliche Verhaltensweisen an. Dadurch werden bestimmte Themen aufgegriffen. Es ist jedem selbst überlassen, sie weiterzuspinnen oder mit realen politischen Situationen in Verbindung zu bringen. Es steht aber nicht im Vordergrund, finde ich.

Was steht für Sie im Vordergrund?

Das Eintauchen in einen Fall, der von Schritt zu Schritt immer komplexer, schrecklicher und aufwendiger wird. Was macht das mit den Menschen, die daran beteiligt sind? Wie verändern sich die Persönlichkeit und das Verhalten der Ermittler, aber auch des Täters? Es ist eine große Qualität, dass man auch Einblicke in sein Leben und Verhalten erhält, seine Perspektive miterlebt und ihn als Charakter mit verschiedenen Seiten sieht.

Schauen Sie selbst auch gerne Serien?

Ich bin kein Serienjunkie, aber hin und wieder mache ich das mit Genuss.

Welche Serie gefällt Ihnen besonders gut?

"Top of the Lake" finde ich toll und "The Handmaid's Tale: Der Report der Magd". Von "Babylon Berlin" war ich auch sehr begeistert.

Interview: Dirk Buhrmann

Aktuelle ­Hits

News